Voraussichtliche Lesedauer: 10 Minuten
Ich bin neulich in einer kleineren Gruppe in eine Diskussion bzw. Überlegung gekommen, was eigentlich unser Unterbewusstsein so macht. Und vor allem, wie bewusst wir so sind. Das zum Anlass habe ich mal eine Mischung aus Neuem zusammentragen und unserem Konsens zusammengestellt.
Eines ist deutlich geworden: je mehr wir über unsere unbewussten Mechanismen wissen, desto mehr können wir davon ins Bewusstsein holen und letztendlich als Werkzeuge benutzen – uns weiterentwickeln. Und darin liegt auch mein persönliches Interesse an dem Thema. Als Mensch weiter zu kommen und mit anderen Menschen besser voran zu kommen.
Wissenschaftlich ist das Unterbewusstsein nicht wirklich nachzuweisen. Empirisch gibt es viele Messungen, die dazu eine breite Basis liefern. Praktisch resultiert eine Bandbreite von Methoden, die uns helfen können.
Unterscheiden wir hier
Unterbewusstsein | Bewusstsein |
Gefühl | Logik |
Kleinhirn | Großhirn |
Wow – der letzte Sprung ist vielleicht etwas überraschend und gleichzeitig naheliegend. Unser Großhirn ist gemacht für logische Denkprozesse und Kleinhirn ist für überlebenswichtige, spontane Reaktionen ausgelegt: Fluchtreflex, Kampfbereitschaft etc. (also Automatismen). Bei Automatismen müssen wir nicht nachdenken, es passiert automatisch, ergo unterbewusst.
Unterschied Unterbewusstsein – Bewusstsein?
Unterbewusstes Handeln läuft schnell, automatisch ab. Es lässt sich nicht beeinflussen. Unser Kleinhirn überholt unser Großhirn auf der rechten Spur. Das fängt mit lebensnotwendigen Funktionen an, wie Atmen, Herzschlag, Verdauung. Gut, normalerweise ist das noch relativ eingängig. Es macht ja auch Sinn, dass wir nicht über jeden Atemzug nachdenken müssen.
Gleichzeitig lernen wir unser gesamtes Leben lang. Eindrücke, Fehler, Erfahrungen prägen uns. Dinge die unbekannt waren, werden bekannt und irgendwann automatisch. Wer weiß noch wie schwer das kleine Einmaleins am Anfang war? Wenn heute jemand fragt: „Was ist 2 x 3?“ kommt die Antwort automatisch.
Das lässt sich auf unseren Alltag übertragen: langjährige Autofahrer müssen nicht überlegen, wenn ein Kind auf die Straße läuft oder die Ampel auf Rot umschlägt: der Fuß geht automatisch auf die Bremse. Das wurde uns nicht in die Wiege gelegt, wir haben es gelernt! Das Gelernte oft genug zu tun, immer wieder gleich, schafft Automatismen.
Automatisch analysieren und interpretieren
Schauen wir uns ein Beispiel an. BioMotionLab hat anhand von 15 Punkten simuliert, wie sich ein Mensch beim gehen bewegt. In dem Simulator können Geschlecht, Alter, Stimmung, Gewicht eingestellt werden. Wenn man mit diesen Einstellungen herum spielt, wird schnell unsere Fähigkeit komplexe Menschen auf wenige Punkte zu reduzieren. Das passiert, weil wir viele Menschen kennengelernt haben und vereinfachte Muster erkennen. Das passiert nicht durch langsame, logische Analysen, sondern durch schnellen, unterbewussten Musterabgleich.
Wozu dient das Unterbewusstsein noch?
Schnell „schalten“ und reagieren, Dinge nicht mühsam ausrechnen, sondern sofort „zu wissen“ sind sicherlich Vorzüge. Vor allem hilft uns das Unterbewusstsein auch zu filtern und zu bewerten, was Sinn macht „bewusst“ und aufwändig-logisch zu bearbeiten. Wir haben nicht die Kapazität in unserem Großhirn jeden Reiz der Umwelt zu erfassen und ständig alles in logischen Prozessen zu verknüpfen. Jeder Moment ist voll mit Geräuschen, Gerüchen, visuellen Eindrücken, Gefühlen, vielleicht Geschmack. Unmöglich 24 / 7 alle Sinne in vollem Umfang auszuwerten.
Die Zeitschrift Spektrum kommt nach Studien zu dem Schluss, dass 95 % aller Eindrücke unterbewusst ausgewertet bzw. gefiltert werden und nur 5 % wirklich bewusst wird. Es kommt also nur ein Bruchteil von dem was um uns herum so passiert wirklich bei uns an.
Ein kleines Experiment:
Falte Deine Hände als ob Du „Däumchen drehen“ wolltest, lege aber die Daumen ab. Welcher Daumen liegt oben? Jetzt wechsle die gesamte Position in die andere Richtung, so dass Du vom kleinen Finger bis zum Daumen die entgegen gesetzte Position einnimmst. Nimm wahr, wie sich das anfühlt: Normal? Ungewohnt? Falsch?
Verschränke nun die Arme, so dass eine Hand auf dem Oberarm liegt und die andere unter dem Oberarm. Schau welche Hand oben und welche unten ist. Wechsle nun wieder genau die Seiten. Und spüre: War das einfach? Hat es überhaupt geklappt? Wie fühlt sich das an?
Manche Menschen haben bei den jeweils 2. Positionen Schwierigkeiten diese überhaupt hinzubekommen. Die Meisten sagen, dass die 2. Position sich „falsch“ anfühlt. Interessanterweise hat die jeweilige Bevorzugung nichts mit Rechts- oder Linkshänder zu tun. Es sind Muster / Gewohnheiten, die wir durch hundertfaches Tun entwickelt haben und nun fühlt sich eine Seite „falsch“ an. Hierbei ist offensichtlich, dass es keine falsche oder richtige Seite gibt.
Einfache Beispiele, die sich übertragen lassen auf unsere komplexeren Verhaltensweisen, z.B. der Kommunikation. Schau mal, was Dich mehr anspricht (jeweils links oder rechts):
Lass uns sofort anfangen … | Lass mich drüber schlafen und dann entscheiden … |
Das ist genau, was mir machen sollten … | Wir haben die Wahl, was mir machen … |
Wir haben den vollen Überblick und können entscheiden | Wir kennen jetzt alle Details zum entscheiden … |
>> mehr über die eigene Motivation aus Profilen entdecken
Jetzt schau doch mal, welche Spalte dich mehr anspricht:
Gewinnen | Harmonie | Innovation |
Erfolg | Gemeinschaft | Neuigkeiten |
Ruhm | Sicherheit | Freude |
Einfluss | Qualität | Kreativität |
>> mehr über die eigenen Werte lernen
Das heißt:
- Unser Unterbewusstsein filtert, was wichtig erscheint (95 %)
- Unser Unterbewusst sein urteilt häufig „richtig“ oder „falsch“
Unterbewusstsein ist schnell
Unser Unterbewusst sein hilft uns also auch bei einem schnellen Urteil über „richtig“ oder „falsch“. Es erzeugt somit ein gutes Gefühl (kann weiter gehen) oder ein Störgefühl (hey warte mal, da passt was nicht). Auch das kann helfen, bedeutet aber, dass wir „richtig“ durchwinken ohne drüber nachzudenken oder „falsch“ empfinden weil es irgendwie gegen unsere unterbewusste Skala verstößt.
Und genau jetzt wird es spannend: mit diesem Wissen können wir anfangen zu beobachten, ob wir das auch so wollen. Wenn uns das gelingt, dann schaffen wir uns Freiheitsgrade vielleicht anders zu handeln, als es uns unsere Vergangenheit gelehrt hat.
- Will ich wirklich sauer werden, wenn mein Kollege schmatzt?
- Möchte ich mein Kind anmeckern, wenn es den Ellenbogen auf den Tisch hat?
- Ist es gut, wenn ich mich ärgere, weil mein Partner die Zahnpasta offengelassen hat?
Oder wäre es nicht viel hilfreicher entspannt zu bleiben und ruhig ins Gespräch zu gehen bzw. vielleicht auch darüber hinweg zu sehen?
Das Unterbewusste nutzen
Gerade im Augenblick, wo Du einen Energieverlust spürst, die Stimmung in den Keller geht: Woran liegt das? Will ich das? Oder lasse ich „das nicht mit mir machen“?
In Situationen mit Personen, die Dir nahestehen und ein Gefühl von Ärger oder Enttäuschung entsteht: da kannst Du Dir einen Moment nehmen und überlegen, woher das kommt und ob Du wirklich weißt, dass es so gemeint ist. Oder war es nur Deine automatische Bewertung aus der Vergangenheit?
In Momenten, wo Du bei einem Menschen ein unsympathisches Gefühl hast. Vielleicht denkst, der hat sie doch nicht alle. Versuche mal herauszufinden, woran das vielleicht liegt. Was hat der möglicherweise für eine Bewertungsgrundlage, die von Deiner abweicht. Oder spielt Dir Dein Unterbewusstsein hier einen Streich?
Und zu guter Letzt
Es kann am Anfang verstörend sein wirklich wahrzunehmen, dass man sich immer wieder anders / automatisch verhält, als es eigentlich wünschenswert wäre.
Sei Dir gewiss
- Dein Unterbewusstsein will immer nur das Beste für Dich. Es arbeitet so, weil es in der Vergangenheit oft so funktioniert hat. Vielleicht passt es heute nicht mehr aber der Automatismus ist noch da.
- Viele der Automatismen sind hilfreich und schnell. Ohne geht nicht. Es geht darum die Ecken und Kanten zu finden, die wir glätten wollen. Wo wir uns anders verhalten wollen.
Wenn Du die Reise antrittst und anfängst Dich selbst und andere zu beobachten, wird es immer häufiger gelingen Unterbewusstes wahrzunehmen und dann Stück für Stück auch bewusst anders zu reagieren.
Mein Tipp: gerade in Momenten, wo ein Störgefühl aufkommt und der Impuls zur sofortigen Reaktion da ist: einmal durchatmen und einige zehntel-Sekunden gewinnen. Dann hat das Großhirn Zeit anzuspringen und es kann zu einer ganz anderen Reaktion kommen.
Wenn es stressig wird, die Zeit knapp, der Ärger groß: dann sind wir alle verstärkt geneigt in alte Muster und Automatismen zu fallen. Es macht also Sinn sich in eher normalen, entspannten Situationen auf die Suche zu machen und zu üben.
Worum geht es?
Am Ende geht es darum, dass es uns besser geht, wir besser vorankommen und dazu eben auch besser mit uns und anderen Menschen umgehen. Sein Unterbewusstsein „zu entdecken“ kann dabei helfen die Entscheidungshoheit in mehr Situationen zu bekommen. Das heißt nicht, dass wir anders handeln müssen, aber wir können uns auf einmal entscheiden.
Und zu guter letzt ein toller Podcast zum Thema von meinem Freund DocLinke:
Das Unterbewusstsein ist der Teil unseres Gehirns, der ohne langsamere, logische Denkprozesse schnell und automatisch „für uns“ reagiert. Diese Urteile und Reaktionen basieren auf wiederholten Erfahrungen in denen wir mit unseren Strategien Erfolg hatten. Damit werden spontane Reaktionstrampelpfade geschaffen. Wenn wir zum Beispiel eine rote Ampel sehen, bremsen wir ohne nachzudenken.
Das Unterbewusstsein ist schneller als das Bewusstsein und ist geschaffen für automatische, schnelle Reaktionen. Um das Unterbewusstsein zu beeinflussen, ist es hilfreich diese Automatismen wahrzunehmen = ins Bewusstsein zu holen. Erst wenn sie bewusst sind, können wir sie beeinflussen indem wir uns entscheiden anders als automatisch zu handeln und uns andere Verhaltensweisen anzugewöhnen.
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