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Zauberkasten der Agilität
Während agiles Arbeiten die grundsätzlichen Prinzipien der Agilität definiert, halten agile Methoden die Werkzeuge und Instrumente zur praktischen Umsetzung der digitalen sowie agilen Transformation bereit. Dabei setzen die Methoden an unterschiedlichen Schwerpunkten der agilen Organisation wie Führung oder Kundenzufriedenheit an.
Agile Transformation und Methoden
Man kann schnell die Übersicht verlieren, wenn es um agile Methoden geht. Hier liegen viele Bezeichnungen, Stichworte und Fragen in der Luft.
- Was ist Scrum?
- Was ist Kanban?
- Sind agile Methoden nur etwas für die Softwareentwicklung?
- Wie verhält es sich mit agilen Methoden in industriellen Umgebungen?
- Gibt es eine agile Methode für alles?
- Wodurch zeichnen Sie sich in der Unternehmensführung aus?
- Brauchen wir in unserem Unternehmen überhaupt agile Methoden?
- Müssen wir an der agilen Transformation teilnehmen?
Die Digitalisierung findet für die meisten Unternehmen deutlich wahrnehmbar bereits seit einiger Zeit statt. Obwohl sich einige Unternehmen, Digitalisierungsprozessen noch verschließen, kommt meiner Ansicht nach kein Unternehmen an den Gegebenheiten in der Unternehmensstruktur vorbei. Das ist der dynamischen Struktur der Digitalisierung geschuldet.
Wenn ein Unternehmen erfolgreich durch die Ära der Digitalisierung kommen möchte, stößt es mit klassischen Organisations- und Führungsstrukturen schnell an Grenzen. Hier leistet der agil transformierte Wettbewerb einfach mehr. Das gilt längst nicht mehr nur für innovative Software Entwickler, die möglicherweise die Zeichen der Zeit etwas schneller erkannt haben. Auch die agile Transformation in anderen Unternehmen ist in vollem Gange. Man kann sie für das eigene Unternehmen ablehnen, sieht dann aber einer ungewissen Zukunft in einer sich ständig verändernden dynamischen Unternehmensumgebung gegenüber.
Schöner Überblick und Praxis-Tipps:
In der Regel fehlen hier die Instrumente, die einen sicheren Weg in die Zukunft weisen. Deshalb führt für mich kein Weg an agilen Methoden vorbei. Für welche Werkzeuge und Instrumente man sich im Einzelnen entscheidet, hängt dabei von verschiedenen Voraussetzungen ab. Wichtig ist es, die Notwendigkeit der agilen Transformation zu erkennen und sich agilen Methoden in den verschiedenen Schwerpunktbereichen der unternehmerischen Tätigkeit zu öffnen.
Was sind agile Methoden?
Wahrscheinlich stellst du dir hier noch immer die Frage, was agile Methoden eigentlich sind. Auch Experten im Organisationsmanagement bleiben häufig eine exakte Antwort auf diese Frage schuldig. Meiner Meinung nach wird Agilität nicht aus dem Lehrbuch funktionieren, sondern es geht um ausprobieren und in die Erfahrung kommen – an einer Stelle beginnend, Stück für Stück.
Eines eint alle agilen Methoden: das agile Manifest
Andere Ratgeber insbesondere im Internet führen einfach ein Dutzend bewährter Bausteine auf, die ihrer Überzeugung nach agiles Arbeiten unterstützen können. Dabei fallen Stichworte wie Scrum, Barcamp oder Visualisieren. Die Natur von agilen Methoden wird dabei für mich nicht deutlich. Insbesondere, wer sich noch nie oder erst rudimentär mit agilem Arbeiten beschäftigt hat, kann anhand aus dem Konzept gerissener Teilwerkzeuge nicht verstehen, worum es bei agilen Methoden tatsächlich geht.
Mir fällt es leichter, agile Methoden so zu definieren: Es handelt sich um Werkzeuge und Instrumente, die agile Mindsets und agile Grundlagen in die Praxis überführen. Auf dem Punkt gebracht: Du findest hier das Handwerkszeug dafür, agil zu denken und zu arbeiten. Man könnte auch sagen, dass agile Organisationsstrukturen die gemeinsamen Werkzeuge vorhalten, mit denen sie sich im agilen Raum bewegen.
Wichtig ist es außerdem zu unterscheiden: Man kann agile Methoden so definieren, dass man die verschiedenen umfangreich ausgearbeiteten Konzepte meint, die es zum Thema gibt. Beispielsweise sind Kanban und Scrum ganze Konzepte, die viele einzelne Bausteine und Werkzeuge vereinen.
Man kann mit agilen Methoden auch die einzelnen Werkzeuge meinen wie beispielsweise ein KanbanBoard oder einen Scrum-Sprint.
Ebenso wichtig ist es, einen weiteren Aspekt der agilen Methoden zu betrachten: Diese Methoden und methodischen Ansätze und Werkzeuge sind auch ein Vehikel, um überhaupt neue Organisationsstrukturen zu lernen und sich ihnen zu öffnen.
Wenn wir ehrlich sind, lernen wir weniger über theoretische Grundsätze als über die praktische Umsetzung. Agile Methoden ermöglichen es uns, agiles Arbeiten und Agilität tatsächlich in der Praxis zu erleben. Dieses Eintauchen in die Agilität ist dabei der wertvollste Impuls, um klassische Strukturen zu verdrängen und sich auf das Neue einzulassen. Wir Menschen sind so strukturiert, dass uns Veränderungen häufig Angst machen. Die Digitalisierung mit ihrem ständigen Veränderungsanspruch und ihren dynamischen Prozessen ist deshalb geeignet, uns als Menschen zu verstören und zu ängstigen.
Mit agilen Methoden wird es uns möglich, der Volatilität der Digitalisierung zu begegnen und etwas entgegenzusetzen. Insoweit sind agile Methoden auch so etwas wie eine Sicherheitsleine, an der wir uns in einer sich ständig ändernden Unternehmensumwelt festhalten können. Sie verankern uns im Hier und Jetzt. Sie geben uns mehr Sicherheit in einer vermeintlich unsicheren Umwelt. Sie schaffen eine neue agile Struktur, die an die Stelle der alten klassischen Strukturen treten kann.
Es geht an dieser Stelle deshalb nochmals und vielleicht zum wiederholten Male mit einem großen Missverständnis über Agilität aufzuräumen: Agilität ist keineswegs ein anarchisches und strukturloses System. Im Vergleich mit klassischen Strukturen sind agile Methoden aber sehr gut durchdacht, sehr zielgerichtet aufgestellt und werden in ihrer Anzahl auf Notwendigkeiten begrenzt.
Ihr Fokus richtet sich tatsächlich auf das Erreichen eines Ziels und berücksichtigt nicht noch weitere Faktoren, die für die Zielerreichung unwesentlich sind. Es geht deshalb bei agilen Methoden nicht um Macht, um Autorität, um Positionen, um persönliche Einflussbereiche oder den Wettbewerb der Beteiligten untereinander. Agile Methoden sind im Gegenteil bestens geeignet dazu, um solche persönlichen und häufig für den Erfolg hinderlichen Aspekte stärker aus einem Vorhaben herauszuhalten. Nicht zuletzt deshalb haben sie ihren festen Platz in agilen Arbeitsumgebungen.
Warum eine nicht für alle ist
Die agile Transformation hat viele Gesichter. Dementsprechend haben auch ihre Methoden verschiedene Bezüge. Nicht jede agile Methode passt zu jedem Teilbereich der agilen Transformation in Unternehmen. Nicht jedes Instrument ist für jeden Bereich gleich gut geeignet. Eine für alle – das trifft für agile Methoden weniger zu. Welche Teilbereiche kann man bei der agilen Transformation unterscheiden?
Man kann beispielsweise Führung agil organisieren, eine Entwicklung oder eine Projektplanung agil machen oder die gesamte Organisation in die Agilität überführen. Bei einigen dieser Teilbereiche geht es mehr um innere Strukturen, bei anderen sind unternehmensfremde Dritte wie beispielsweise Kunden und Auftraggeber beteiligt.
So geht es zum Beispiel bei der Entwicklung einer agilen Führung auch stark um Selbstorganisation und Persönlichkeitsentwicklung, um Transparenz und Kommunikation. Sind Kunden und Auftraggeber beteiligt, stehen deren Interessen und deren Zufriedenheit im Fokus. Es sollten Probleme und ihre Lösung im Fokus stehen. Auf dieser Ebene leuchtet es ein, dass agile Methoden sich teilweise auf einen bestimmten Bereich konzentrieren und wir die richtigen Werkzeuge parat halten, um eine agile Transformation exakt in diesem Feld anzustoßen.
Agile Methoden – kategorisieren und bewerten
Es gibt offensichtlich nicht die eine agile Methode, die alle agilen Aktivitätssegmente abdeckt. Der Kontext spielt eine wichtige Rolle. Sie sind kein Selbstzweck, sondern immer auf ein Zielausgerichtet. Sie müssen in einem jeweiligen Kontext in einem Konzept betrachtet werden. Ohne Kontexte laufen agile Methoden ins Leere. Deshalb sehe ich im ersten Schritt 3 Aspekte:
- Einsatz-Kontext (Brauche ich überhaupt agile Methoden?)
- Einsatz Ziel (Führung, Produktentwicklung, Produktion)
- Einsatz Moment (Innovation, Umsetzung, Optimierung)
Zunächst ist es erst einmal wichtig festzustellen, ob wir mit agilen Methoden besser bedient sind.
Dazu hilft ein Ausflug in das Cynefin Framework: Das Vorhaben wird im Verhältnis von Problem zur Lösung in die Kategorien einfach, kompliziert, komplex und chaotisch eingeteilt. Vorteilhaft an dieser Einteilung ist unter anderem, dass man dem jeweiligen Grad eines Problems auch den passenden Grad der Lösung zuordnen kann. Wenn man beispielsweise die Eigenschaften einfach, kompliziert, komplex und chaotisch farblich unterschiedlich markiert, wird sofort offensichtlich, wenn man versucht, ein rotes Problem mit einer blauen Lösung zu lösen. Diese Kategorisierung erlaubt es außerdem, agile Methoden dort anzuwenden, wo sie auch wirklich gebraucht werden. Bei sehr einfachen Aufgaben können auch klassische Methoden in gewohnter Weise zum Erfolg führen. Besonders komplexe chaotische Aufgabenstellungen und Probleme sprechen dagegen nur auf agile methodische Lösungsansätze an.
Beim Lebenszyklus eines Vorhabens geht es um die Frage, auf welcher Lösungsebene sich das Problem befindet. Gibt es bereits eine deutliche Vorstellung von einer möglichen Lösung oder steht man mit dem Problem noch ganz am Anfang, wenn es erst einmal um das Sondieren von Lösungsmöglichkeiten geht?
Auch ich meine, dass agile Methoden auf diese Art gut eingeordnet und bewertet werden können. Bei mir kommt ein 4. Aspekt hinzu, den ich „Flexibilität der Methode“ nenne. Damit bewerte ich, ob eine agile Methode in den verschiedensten Zusammenhängen wie beispielsweise Entwicklungsprojekten, industriellen Umfeldern oder Verwaltungsbereichen sinnvoll zum Einsatz kommen kann. Auch, wenn meinen obigen, 3-stufigen Ansatz durchbreche, erscheint es mir sinnvoll, eine Organisation über das Erlebnis bestimmter, kleinerer und fast universell einsetzbarer agiler Werkzeuge an das Thema Agilität heranzuführen, ohne ihren Kontext aus den Augen zu verlieren.
Einige agile Methoden im Kurzporträt
Scrum
Dieses Konzept aus der Softwareentwicklung umfasst verschiedenste Werkzeuge in einem Gesamtkonzept. Diese erleichtern die Zusammenarbeit im Team und die Durchführung von Entwicklungsprojekten. In der Regel ist hier bereits der Lösungsweg deutlich skizziert, es kommt aber auf Details ein, die sich im Laufe der Entwicklung erst ergeben und angepasst werden können. Scrum ist auf komplexe Projekte anwendbar. Mit Anpassungen kann das Konzept auch auf Projekte angewendet werden, die nicht in der Softwareentwicklung dienen. Weiterhin sind einige Teile der Werkzeuge wie beispielsweise die kurzen Zeitabschnitte für Teilaufgaben, die hier als Sprint bezeichnet werden, geeignet, agile Ansätze in Organisationsstrukturen einzubringen.
Kanban
Auch dabei handelt es sich um ein Konzept, das insbesondere in der Softwareentwicklung Anwendung findet. Die agile Methodik zielt vor allem durch visuelle Elemente darauf ab, die Entwicklungszeiten von Vorhaben zu verkürzen. Dieses Gedankengut und diese Werteentwicklung entstammen ursprünglich der Lean Production (also genau nicht dem Software-Bereich). Die Visualisierungsbausteine sind insgesamt gut geeignet, agile Methoden in Organisationen einzuführen und Teams auf einfache Art agil zu organisiere. Deshalb sind KanbanBoards auch schnell Bestandteil rudimentärer agiler Planungsinstrumente wie beispielsweise Trello geworden. Kanban betont besonders einen der Grundsätze agilen Arbeitens. Nach Kompetenz und Kapazität suchen sich die beteiligten Teammitglieder selbst die Aufgaben aus, eine Zuteilung von Aufgaben unterbleibt.
Objectives and Key Results (OKR) – Führung neu denken
Wie die Titelbezeichnung andeutet, geht es um die Einführung agiler Methoden in den Bereich der Unternehmensführung. Über Visionen, Leitlinien und Unternehmensziele werden strategische Werte gebildet, an denen sich die Agilität ausrichtet. Diese agilen Methoden betonen die Werteorientierung von agilem Arbeiten. Findet die agile Transformation auf der Führungsebene statt, sind diese Werte nochmals von besonderer Bedeutung.
Jobs to be Done
Dieses Konzept agiler Methoden ermöglicht es, den Kunden/Auftraggeber besser zu verstehen. Über einen bestimmten Prozess wird die Kunden Absicht/der Kundenwillen ermittelt. In eine ähnliche Richtung geht das Konzept Customer Journey Mapping, mit dem unter anderem die Customer Experience von digitalen Angeboten verbessert werden kann.
Am Ende individuell ausgerichtet
Ohne agile Methoden lässt sich die agile Transformation nicht durchführen. Ohne sie fehlt das Gerüst, das agiles Arbeiten erst möglich macht und auch die Akzeptanz der Agilität vorantreibt. Auf der anderen Seite reicht es nicht, nur die eine oder andere agile Methode zu installieren und auf Agilität im gesamten Projekt/im gesamten Unternehmen zu hoffen. Die agile Transformation ist kein Selbstzweck und agile Methoden machen sie auch zu keinem Selbstläufer. Hier darf nie vergessen werden, dass agiles Arbeiten am Ende auf Werten basiert. Es geht somit in einem ersten Schritt darum, entsprechende Leitlinien und Visionen zu entwickeln. In einem zweiten Schritt kann überlegt werden, welche agile Methoden für den angestrebten Einsatzbereich passend sein können. Möglicherweise sind dabei individuelle Anpassungen der einzelnen Werkzeuge notwendig.
Nochmals sei darauf hingewiesen, dass es eine einzige richtige agile Methode nicht gibt. Im agilen Umfeld sind aber manche Methodenansätze für manche Vorhaben besser geeignet als andere.
Weiterführende Artikel
Fragen zu agilem Arbeiten
Agile Methoden sind darauf ausgerichtet in kurzen Zyklen Ergebnisse zu produzieren, um einen Fortschritt zu bewerten. Es existieren Varianten für die Unternehmensführung (OKR), für produktive Teams (Scrum) aber auch für Meetings und Workshops (Dot Voting).
Agiles arbeiten basiert auf dem agilen Manifest. Es ist Menschen- und Ergebnisorientiert und hat immer das Bestreben auf Unwägbarkeiten reagieren zu können. Deswegen wird in kürzeren Zyklen mit klaren Messgrößen eine ständige Standortbestimmung angestrebt.
Agiles Arbeiten ist ein Weg auf dynamische und komplexe Herausforderungen einzugehen. Es umfasst Methoden, die auf dem agilen Manifest basieren, ein werteorientierter Ansatz mit starker Zielfokussierung.
Die Menge an agilen Methoden ist mittlerweile umfangreich. Die Auswahl muss zum Kontext passen: Will ich neue Produkte finden (z.B. Design Thinking). Will ich Teams führen (z.B. OKR). Will ich die Unternehmenskultur stärken (z.B. Golden Circle).