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SCARF Modell

Voraussichtliche Lesedauer: 10 Minuten

Es ist dir wahrscheinlich bereits aufgefallen, das moderne Managementansätze und Führungstheorien gern mit Akronymen arbeiten. Diese Sonderfälle von Abkürzungen, bei denen bestimmte Wortgruppen abgekürzt auf ihren ersten Buchstaben zu einem neuen Begriff zusammengesetzt werden, machen viele der innovativen Ansätze besonders anschaulich. Typische Beispiele wie VUCA oder BANI bleiben schnell im Gedächtnis haften. Etwas ähnliches gilt für das Akronym SCARF, das der gleichnamigen SCARF-Methode Sinn und Bedeutung gibt. Mit SCARF lernst du hier ein maßgebliches Konzept des Neuroleadership kennen.

Das SCARF-Modell

Es kann in seiner praktischen Umsetzung die Produktivität in Arbeitsteams erheblich steigern helfen. Dabei macht es bestimmte menschliche Reaktionen der Teammitglieder wissenschaftlich erklärbar. Das kann die Zusammenarbeit insbesondere in Projektteams erleichtern. Nicht jeder Konflikt erscheint dann als dramatisches Ereignis und bedroht nicht mehr den Projekterfolg. Viele typische menschliche Verhaltensweisen und Konflikte können mit SCARF als das angesehen werden, was sie letztendlich sind: Natürliche Reaktionen des menschlichen Gehirns auf bestimmte Szenarien und Impulse von außen.

Was ist Neuroleadership?

In den letzten Dekaden konnten mit innovativen Untersuchungsmethoden in den Neurowissenschaften interessante Erkenntnisse über die Funktion des menschlichen Zentralnervensystems einschließlich des Gehirns gemacht werden. Mit modernen bildgebenden Verfahren gelang es zum Beispiel, bestimmte Reaktionen bei der Informationsübertragung zwischen einzelnen Synapsen im menschlichen Gehirn sichtbar zu machen. Es konnte etwa gezeigt werden, welche Bereiche des Gehirns bei welchen Gedanken oder Handlungsweisen besonders aktiv sind. Begriffe wie Belohnungssystem oder emotionales System sind vielen von uns heute schon geläufig, wenn es um Bedürfnisse und Verhaltensweisen von Menschen geht. Dabei wissen wir heute auch recht genau, wie beispielsweise Ängste entstehen, wenn Grundbedürfnisse oder Ziele eines Menschen von diesem als bedroht angesehen werden können. Ebenso entsteht ein Wohlgefühl, wenn von außen ein Impuls eintrifft, der als Belohnung angesehen wird. Hier werden in verschiedenen Bereichen im Gehirn bestimmte Teilsegmente aktiv wie etwa die Amygdala bei Bedrohungen. Es spielt sich das ab, was von vielen Wissenschaftlern, aber auch Laien als primitive Reaktion bezeichnet wird. Im Falle einer Bedrohung flüchten wir, greifen wir an oder stellen uns tot. Umgekehrt fühlen wir uns wohl und leisten mehr, wenn unser Belohnungssystem aktiviert wird. Wir sind dann auch kooperationsbereiter und lernwilliger. Können wir bewusst und gezielt das Belohnungssystem im menschlichen Gehirn aktivieren? Genau darauf steuert das Neuroleadership mit dem SCARF-Modell zu.

Die Verarbeitung äußerer Impulse erfolgt im Gehirn äußerst schnell. In nur wenigen Sekunden entscheiden die Nervenzellen, ob ein Impuls eine Bedrohung oder eine Belohnung darstellt. Neuroleadership verknüpft die Erkenntnisse der Neurowissenschaften mit modernen Managementtheorien. Die Bezeichnung Neuroleadership prägten der Unternehmensberater David Rock und der Neurowissenschaftler Jeffrey Schwartz. Hinter dem Neuroleadership verbergen sich methodische Ansätze und Strategien, die es unter anderem ermöglichen, mit bestimmten Veränderungen und Entwicklungen in Unternehmen auf der Führungsebene besser umzugehen. Dabei wird das Belohnungssystem in den Managementansatz einbezogen.

SCARF – das Akronym der Grundbedürfnisse

David Rock ging es bei der Entwicklung des SCARF-Modells vor allem darum, im mehrjährigen Austausch mit führenden Neurowissenschaftlern Muster zu identifizieren, die sich positiv auf Leistung, Lernbereitschaft und weitere Eigenschaften gesunder Unternehmensumfelder wie Kooperation auswirken.

SCARF steht für

  • Status – dt. Status
  • Certainty – dt. Sicherheit
  • Autonomy – dt. Autonomie
  • Relatedness – dt. Zugehörigkeit
  • Fairness – dt. Fairness

Die Stichworte bezeichnen typische Grundbedürfnisse, die wir Menschen in jedem Umfeld menschlicher Beziehung haben. Das gilt dann ebenso für ein unternehmerisches Umfeld. Rock spricht in diesem Zusammenhang auch von den 5 SCARF-Dimensionen, weil diese 5 Grundbedürfnisse das Belohnungs- und Bedrohungssystem des menschlichen Gehirns besonders intensiv aktivieren. Unser Gehirn überwacht ständig sehr aufmerksam, wie es um die Erfüllung dieser 5 Faktoren in bestimmten Situationen bestellt ist. Auf den Punkt gebracht: Defizite bei diesen Bedürfnissen wirken wie eine Bedrohung auf uns, die Erfüllung der Bedürfnisse wie eine Belohnung.

Die SCARF-Dimensionen im Detail

Der Status

diese Dimension bezeichnet eine Position von Teammitgliedern im Verhältnis zu den anderen Teammitgliedern. Wir wünschen uns hier, dass unsere Kompetenz anerkannt und unsere Leistung gewürdigt wird. Im Umgang mit dem Status kann es sinnvoll sein, die Anerkennung tatsächlich in Bezug auf die Leistung zu erklären und nicht bezogen auf die Person. Die Würdigung einer Person erhöht den Status des Gewürdigten zulasten des Status anderer Teammitglieder.

Die Sicherheit (Certainty)

Hier sind Vorhersehbarkeit, Stabilität und Transparenz des Arbeitsumfeldes angesiedelt. Manche Menschen reagieren intensiv selbst auf kleinere Verschiebungen in diesen Bereichen. Sie empfinden es dann so, als wäre ihre Sicherheit insgesamt gefährdet. Damit können Veränderungen zu einer Bedrohung erwachsen und werden in der Folge unter Umständen heftig bekämpft. Allerdings sind die Menschen hier verschieden. Während einige neugierig auf Veränderungen reagieren, wehren andere diese scheinbare Bedrohung sofort ab. Diesem Faktor kann man im Team entsprechen, indem ein verlässlicher und nachvollziehbarer Rahmen für die Arbeit geschaffen wird.

Die Autonomie (Autonomy)

Menschen sind per se freiheitlich und unabhängig ausgerichtet. In diesem kann man Autonomie als etwas verstehen, das in einem bestimmten Umfeld die freie Gestaltung und Kontrolle jedes Einzelnen ermöglicht. Im Arbeits- und Projektplanungsbereich geht es dabei wesentlich um Entscheidungsspielräume. Nicht alle Menschen empfinden eine intensiv ausgeprägte Autonomie als positiv. Einige Teammitglieder können sich bedroht fühlen, wenn ihre Entscheidungsspielräume als zu groß empfunden werden. Hier muss in einem Team eine Balance zwischen Fremdbestimmtheit und Autonomie gefunden werden.

Die Verbundenheit (Relatedness)

Menschen entwickeln in Gruppen ein Zugehörigkeitsgefühl. Das gilt auch für Arbeitsteams. Ist die Zugehörigkeit bedroht, weil sich ein Teammitglied beispielsweise ausgeschlossen fühlt, wird das als bedrohlich und schmerzhaft empfunden. Dieses Schmerzempfinden geht zurück auf eine archaische Struktur. In früheren Zeiten konnte der Ausschluss aus einer Gruppe lebensbedrohlich sein. Anders ausgedrückt, wir Menschen sind soziale Wesen. Wir wünschen uns soziale Zugehörigkeit. Bei der Arbeit in einem Team muss dieser Aspekt berücksichtigt werden, damit sich kein Teammitglied ausgeschlossen fühlt. Gerade die Dimension Verbundenheit hat einen hoch emotionalen Charakter.

Fairness

Wie Zugehörigkeit wünschen sich Menschen Gerechtigkeit. Empfinden wir in einem Arbeitsumfeld, dass es gerecht zugeht, ist das ein positives Gefühl. Haben wir dagegen das Gefühl, dass es ungerecht zugeht, schafft das ein Klima der Bedrohung. Wir reagieren auf diesen Aspekt häufig sehr sensibel. Im Team müssen wir achtsam mit dieser Dimension umgehen, damit bei einzelnen Teammitglieder nicht das Gefühl der Ungerechtigkeit entsteht.

Neben diesen Beschreibungen zu den Dimensionen bieten sich auch bestimmte Fragestellungen an, die die jeweilige Dimension exakt auf den Punkt bringen:

  • Der Status – sind wir besser oder schlechter, beziehungsweise ebenso wichtig wie andere?
  • Die Sicherheit – wie berechenbar ist unser Umfeld, und was haben wir für die Zukunft zu erwarten?
  • Die Autonomie – bis zu welchem Grad sind wir selbstbestimmt und haben Kontrolle über unser Leben?
  • Die Zugehörigkeit – fühlen wir uns mit den anderen sicher, gehören wir dazu?
  • Die Fairness – haben wir das Gefühl, gerecht oder ungerecht behandelt zu werden?
Scarf Modell Pin
SCARF: Status – Certainty – Autonomy – Relatedness – Fairness

Das SCARF-Modell als Führungsstil

Rock unter anderem in seinem Buch „Your Brain at Work“ wie SCARF eine Erklärung dafür bietet, warum sich Menschen in einer unternehmerischen Umwelt in bestimmter Weise erhalten, wenn sie mit unterschiedlichen Impulsen und Situationen konfrontiert werden. Ebenso soll das SCARF-Modell aber auch Führungsansätze aufzeigen, die es ermöglichen in einem unternehmerischen Umfeld in Einklang mit den biologischen Vorgängen im menschlichen Gehirn eine Wohlfühlatmosphäre zu schaffen. Das Belohnungssystem im menschlichen Gehirn soll angesprochen werden. Wertschätzung, Kooperation und anderen positiv besetzte Zustände dominieren in einer SCARF- gesteuerten Umgebung.

SCARF in der Praxis

Was kann ein Blick auf SCARF in der Zusammenarbeit bewirken?

Ein typisches Szenario in einem Arbeitsteam: Das Teammitglied A ist zurzeit mit seinem Aufgabenbereich sehr gut ausgelastet. Aus diesem Grund bestimmt der Teamleiter B, dass A zunächst nicht in das neue Projekt eingebunden wird. Folgerichtig wird A auch nicht zum ersten Projekt Meeting eingeladen. Wird der Vorgang für A nicht transparent gemacht, kann dieser die ausgebliebene Einladung als Bedrohung für die Dimensionen Zugehörigkeit und Status verstehen. Deshalb wertet er im Gespräch und bei einem Folge Meeting das neue Projekt ab.

Lösung: Die beiden Dimensionen Status und Zugehörigkeit sollten im Hinterkopf verbleiben, wenn jemand aus nachvollziehbaren Gründen nicht in einen Vorgang oder ein Projekt eingebunden wird. Hier geht es um Kommunikation und Transparenz, um eine subjektiv empfundene Bedrohungslage gar nicht erst entstehen zu lassen.

Eine weitere häufig vorkommende Situation: Der Teamleiter B möchte das Teammitglied C bei einer schwierigen Tabellenkalkulation unterstützen. Er stellt dabei nicht die Kompetenz von C in Abrede, hält die Aufgabe aber für so groß, dass seine Unterstützung hilfreich sein könnte. Das Teammitglied C könnte sich hier bei mangelnder Kommunikation und Transparenz in seiner Autonomie bedroht fühlen. Dementsprechend reagiert der Betroffene gegenüber B vielleicht abwehrend und aggressiv.

Lösung: Auch hier ist eine transparente Kommunikation im Vorfeld unabdingbar, um Missverständnisse zu vermeiden.

Interessant ist bei beiden genannten Beispielen, dass in bester Absicht gehandelt wurde, dass aber dennoch Bedrohungssituationen für bestimmte Dimensionen bei beteiligten Teammitgliedern entstehen konnten. Die beste Absicht nutzt also nichts, wenn sie nicht entsprechend eindeutig kommuniziert wird.

Gut gemeint ist oft nicht gut gemacht.Click to Tweet

Noch ein Beispiel: Der Teamleiter B nimmt ein weiteres Teammitglied D auf, weil der Arbeitsanfall in einem Projekt so groß ist, dass er die personelle Unterstützung für notwendig hält. Wird über diesen Aspekt nicht gesprochen, könnten sich andere Teammitglieder beispielsweise in ihrem Sicherheitsbereich und bei ihrem Status bedroht fühlen.

Lösung: Auch hier geht es wieder um transparente Entscheidungen und eine gute Kommunikationsstruktur.

In allen geschilderten Konfliktsituationen kann die Arbeit mit dem SCARF-Modell dabei helfen, echte Konflikte gar nicht erst entstehen zu lassen. Das Modell weckt Verständnis für Reaktionen von Menschen im gegenseitigen Miteinander, die diese aufgrund neuronaler Automatismen im menschlichen Gehirn teilweise kaum beeinflussen können. Sie werden sich ihrer Motivation für bestimmte Reaktionen auch oft nicht bewusst. Wird hier im Team angemessen reagiert, beziehungsweise idealerweise schon proaktiv im Vorfeld eine mögliche Bedrohungslage für die klassischen Dimensionen in Betracht gezogen, kommt es erst gar nicht zu konfrontativen Abwehrreaktionen. Es ist wichtig zu verstehen, dass diese teilweise emotionalen Abwehrreaktionen nichts mit der Sachebene in der Teamarbeit zu tun haben. Es handelt sich hingegen um stark subjektive Empfindungen, die gerade nicht sachlich begründet sind. Man könnte auch sagen, bestimmte Verhaltensweisen triggern automatisierte neuronale Reaktion. Es gilt hier ein Gefühl für das Gegenüber und sich selbst zu entwickeln. Dabei kann das SCARF-Modell dazu beitragen, konfliktfreier und effektiver zusammenzuarbeiten.

Was ist SCARF?

SCARF ist ein englisches Akronym und steht für Status, Certainty (dt. Sicherheit), Autonomie, Relatedness (dt. Zugehörigkeit) und Fairness. Es ist ein Modell menschenorientiert im Unternehmen zu führen.

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