Voraussichtliche Lesedauer: 7 Minuten
Team: kein Raum für Rockstars und Experten Egos
Das Thema war einer der großen Aufreger in meinem letzten Workshop, deswegen widme ich diesem Thema mal einen eigenen, kleinen Artikel: Wir hatten über agile Teams, gemeinsame Planung und Austausch gesprochen. In der abschließenden Fragerunde kam noch ein Klärungswunsch auf, den ich dann mittels des T-Shape Skill-Modelles erklärt habe.
„Und damit kommst Du jetzt, 20 Minuten vor dem Ende.“
Wow! Da ist irgendwas am Vormittag schon schief gelaufen …
Was bedeutet T-Shaped Skills im Cross-Funktionalen Team
T als Buchstabe aus 2 Strichen symbolisiert die Fähigkeiten einer Person = Skills. Zum Startpunkt eines Cross-Funktionalen Teams bringt jeder typischerweise eine Spezialisierung mit – das ist der senkrechte Strich. Ein Fachgebiet in dem eine tiefe Kenntnis und Erfahrung vorliegt. In „allen anderen“ Fachdisziplinen ist die Kenntnis sehr flach bzw. generalistisch – das symbolisiert der waagerechte Strich. Woher soll hier auch die Tiefe kommen. (Das ist nicht despektierlich gemeint und natürlich haben wir alle auch „vorher“ schon Kenntnisse in anderen Bereichen, aber zur Verdeutlichung spreche ich hier mal in Extremen).
Zusammengesetzt ergibt sich ein T und beschreibt das typische Skillset zu Beginn der agilen Arbeitsweise. Fachmensch in einem Themenbereich, wenig Tiefe in allen anderen.
Das führt oft dazu, dass sich im Team „natürlicherweise“ gleich manifestiert, wer welche Aufgaben zu erledigen hat. Ist ja klar, wer der Fachmensch für welches Thema ist. Und damit gibt es quasi direkt eine Zuteilung – wie eben auch in der Vergangenheit.
Warum sollte sich das ändern?
Da gibt es einige Gründe:
- Wir haben Lust auch andere Bereiche zu verstehen und zu lernen
- Wir wollen als Team flexibel werden und die Dinge tun, die gerade den meisten Wert haben, nicht ausschließlich bearbeiten können, was unsere Spezialisten-Kapazität hergibt
Es wäre doch super, wenn wir von Aufgaben gemäß Spezialisten-Kapazität
Hin zu: wir können liefern, was gerade gefordert ist kämen.
Die Überschrift dazu ist mal wieder: mit unserer Zeit die maximalen Werte für das Unternehmen zu liefern. Und dabei hilft es Flaschenhälse zu beseitigen.
Das drippy T-Shape Skill-Modell
Nun arbeitet das Team ja als Cross-Funktionales Team und vor allem auch als Team gemeinsam an Ergebnissen. Dabei entsteht ein Austausch, jeder lernt etwas über andere Fachdisziplinen. Über einfache Aufgaben unterstützen sich die Teammitglieder, es erwachsen Erfahrungen in anderen Disziplinen und eine größere Tiefe in diesen. Der waagerechte Strich des T’s bekommt Ausbuchtungen nach unten. So wie herunterlaufende Tropfen. Es entsteht ein Profil, welches aus unterschiedlichen Erfahrungstiefen verschiedener Disziplinen besteht. Deswegen wir dieses Modell auch gerne Drippy T oder tropfendes T genannt.
Das Team hat in Form verschiedener Mitglieder jetzt immer mehr auch „flachere“ Kompetenzen in mehreren Köpfen. Diese flacheren Kompetenzen können aber auch einfache Aufgaben in anderen Kompetenzbereichen übernehmen. Und die Tiefe der Kompetenz wächst mit jeder übernommenen Aufgabe.
TIPP:
Der Start in diese Arbeitsweise ist oft mit emotionalen Hürden verbunden oder nicht in der Vorstellungskraft (gerade bei Experten). Mein Vorschlag: startet einfach als Team und erklärt Euch gegenseitig, was ihr macht. Das führt zu einem Wissenswachstum und verhindert, dass krampfhaft Aufgaben anderer Experten-Bereiche übernommen werden. Man wächst langsam hinein.
Perfekte Skill-Profile für agile Team
Wenn man das zeitlich ins unendliche denkt, würde da ein völlig ausgefülltes Quadrat entstehen. Jedes Teammitglied kann jede Aufgabe erfüllen. Das ist realitätsfern, denn eine Kompetenz, die über vielleicht Jahrzehnte studiert und erfahren wurde, wird sicher nicht in Monaten oder wenigen Jahren entsprechend vollständig aufgeholt.
Gleichzeitig zeigt sich der Vorteil. Wenn wir als Team in einem Bereich einen Engpass haben und schon vorher die Zeit investiert haben auch andere Mitglieder zu befähigen, sind wir auf einmal in der Lage diese Engpässe zu bewältigen. Wir werden unglaublich flexibel und immer lieferfähig, egal was auf uns zukommt. Und das ist genau unser Ziel: Wir wollen immer den größten Business Value liefern können und nicht Dinge erledigen „müssen“ weil wir fachliche Engpässe haben.
Ein Nebeneffekt: wenn alle Teammitglieder mehr und mehr der anderen Expertenbereiche verstehen, wird die Kommunikation besser und effektiver.
Wenn ein Experte ein anderes Team Mitglied befähigt, dann kostet das Zeit. Aber auch leichtgewichtige Aufgaben können abgegeben werden und dienen einer Entlastung und damit Skalierbarkeit. Vor allem der langfristige Blick bürgt ein großes Potenzial und im Team Transparenz zu schaffen, um als Team zu liefern steht ja eh auf der Agenda. Nebst dem Effekt, wie viel Spaß es macht gemeinsam Dinge zu erarbeiten.
Wenn ich über dieses Thema rede, ist oft die Frage: „Brauchen wir keine Experten mehr?“. Und wenn man da dogmatische Agilisten fragt, ist die Antwort auch oft: Generalisten mit guten MindSet sind viel wichtiger als Spezialisten. Meine Meinung weicht da etwas ab. Wir brauchen Experten, die Wissen ins Team bringen. Expertenwissen ist heute aber schnelllebiger als noch vor 10 oder 20 Jahren und dann auch mal überholt. Es darf also nicht überbewertet werden und es geht darum sich als Team weiterzuentwickeln.
Die viel kritischere Frage ist das MindSet des Experten. Im agilen Team ist kein Platz für Experten, die Ihr Wissen nicht teilen wollen. Oder Rockstars, die für ihr Tun alleine die Lorbeeren einheimsen wollen. Der Einzelne ist im Team in seiner Wertschätzung und in seiner Wirkung untergeordnet. Das Team bekommt die Freiheit, die Verantwortung und die Credits. Wer dabei was beigetragen hat ist sekundär. Wenn ein Teil des Teams nicht zur Zufriedenheit des Teams beiträgt, muss das im Team gelöst werden.
Despektierlich bedeutet respektlos bzw. den nötigen Respekt vermissend. Das Wort Despektierlich ist aus dem lateinischen despectio (Verachtung, das Herabsehen) abgeleitet.
Fazit: Expertenwissen als Kompetenz im Team ist wichtig. Es wird sicher nicht ersetzt, sollte aber im Sinne des Teams und der Produktions-Flexibilität dazu führen, dass andere Team-Mitglieder kompetenter werden.
Weiterführende Artikel