Agiles Management: Führungs-Vakuum
Agile Führung bedeutet Entscheidungsverantwortung in ein autonomes und interdisziplinär zusammengesetztes Team zu übergeben. Die Führung wird dann zu Unterstützung, von ehemals einer Entscheidungszentrale. Ziel ist es in kurzen Zyklen Ergebnisse meßbar zu machen, um in einem schnell veränderlichen Umfeldes zu reagieren.
Der Mitarbeiter so: „Wofür ist der Chef denn da, wenn nicht um Entscheidungen zu fällen?“
Unternehmen gehen durch einen deutlichen Change Prozess auf dem Weg in ein agiles Unternehmen. Der klassische Führungsansatz ist durch hierarchische Entscheidungen geprägt. Die agile Welt ist durch Entscheidungen aus dem Team geprägt. Das ist ein deutlicher Shift der Verantwortung, Entscheidungen zu treffen. Es ist ungewohnt und für Mitarbeiter, die noch in der Entwicklung des agilen Mindsets begriffen sind, oft die Wahrnehmung eines Führungsvakuum. „Wofür ist der Chef denn da, wenn nicht um Entscheidungen zu fällen?“
Der Chef so: „Wofür bin ich denn noch da, wenn ich keine Entscheidungen mehr treffen kann?“
Ein Pendant dazu gibt ist auch am Anfang des Change Prozesses auf der Ebene der Führungskräfte: „Wofür bin ich denn noch da, wenn ich keine Entscheidungen mehr treffen kann?“ Und genau hier treffen sich die Führungskraft und Mitarbeiter, die noch nicht im agilen Mindset angekommen sind. Auf beiden Seiten herrscht dann „Hilflosigkeit“ oder mindestens „Unverständnis“. Gleichzeitig stecken in agilen Führungsstrukturen viel Potenzial und Geschwindigkeit für das Unternehmen.
Agile Führung: 🚀 Innovations-Rakete?
Wenn Chefs fachliche Entscheidungen fällen, sind sie meist an der schlechtesten Stelle getroffen: bei den Menschen, die am weitesten weg sind von der täglichen, fachlichen Erfahrung. Sie entscheiden auf Basis von Hörensagen und da bekommt oft der lauteste Mitarbeiter das höchste Vertrauen und damit den Entscheidungsbonus. Neben der Tatsache, dass der Weg vom Problem hoch in die Chefetage auch Zeit kostet.
Ergo: schlechte Entscheidungen, die lange brauchen!
6 Prinzipien agiler Führung
Agiles Management stellt genau das auf den Kopf. Und: Nein, die Führungskraft ist hinterher nicht arbeitslos, es sind nur andere Aufgaben. Die Innovations-Rakete kann zünden, wenn ein klares Zielbild vorhanden ist: „Wo wollen wir in 3 Jahren, 1 Jahr, 3 Monaten sein?“. Das sind die Leitplanken, die den Mitarbeitern helfen die eigenen Entscheidungen in dieselbe Richtung zu fällen. Dieses Zielbild (von der Vision startend) zu entwickeln und sicherzustellen, dass jeder Mitarbeiter verstanden hat, worum es geht ist die wesentliche Säule der agilen Führung. Passiert das nicht, werden agile Teams wie Ameisen kreuz und quer arbeiten.
Die zweite Säule der „neuen“ Führung ist die Unterstützung der Teams: „Was sind die Probleme, die das Team nicht selbst lösen kann?“. Die Themenkomplexe außerhalb des Verfügungsradius ist dann ebenfalls Spielfeld der Führungskraft. Sowie die Unterstützung nach innen: Wobei brauchen die Mitarbeiten meine Erfahrung? Wie kann ich mit welchen Ressourcen weiterhelfen?
Damit sind die zwei wesentlichen inhaltlichen Aufgaben der Führungskraft umrissen. Klingt einfach und ist schwer zu leben, denn wir brechen mit Gewohntem. Und kein Mitarbeiter nimmt einer Führungskraft ab, dass agiles Arbeiten erlaubt ist, wenn der Chef dann doch immer wieder dazwischen funkt. Es gibt als ein Fundament, auf dem die Säulen überhaupt erst zum Stehen kommen:
- Vertrauen, dass das Team das Beste gibt, um die Ziele zu erreichen.
- Transparenz in beide Richtungen, um zu reflektieren – nicht als Kontrolle
- damit entsteht Augenhöhe zwischen Mitarbeitern und Führungskräften.
Darin steckt ein Weg. Von einem autoritären Chef-Bild in ein partnerschaftliches Bild zu kommen, ist nicht mit „einmal sagen“ getan (von beiden Seiten).
- mehr zu: Agilem Arbeiten
- mehr zu. Agilen Prinzipien
Agil: Veränderung von Führung
Agile Leadership oder agile Führung sind Überbegriffe oder Schlagworte für Führung auf Augenhöhe. Diese ist geprägt durch einen Übergang von Verantwortung und Freiheit (als Paket) in die Hände der Mitarbeiter. Agiles Management ist also geprägt durch:
Führung über Zielbilder
Die gesamte Firma in eine Richtung zu lenken und gleichzeitig in kurzen Iterativen Verbesserungszyklen zu arbeiten, braucht ein Zielbild – nennen wir es Leuchtturm. An diesem Zielbild kann sich jeder orientieren und messen, ob es in diese Richtung voran gegangen ist und nachjustieren. Zielbilder haben verschiedene Granularitäten, z.B. eine abstrakte Vision (3-5 Jahre), ein Jahresziel oder eine überschaubare Etappe von 2-3 Monaten wie bei der Steuerung über OKR – je kürzer die Etappe, desto konkreter das Zielbild.
Agil führen heißt über Zielbilder führen an Stelle von Zielvorgaben.
Motivierende Führung
Mitarbeiter und Teams haben mehr Freiheit, mehr Verantwortung. Sie sollen sich an Zielbildern orientieren und den besten Fortschritt beitragen. Das geht nur mit intrinsischer Motivation. Niemand, der täglich einen Anstoß braucht, passt in die agile Welt. Einher geht damit ein positiv motivierender Führungsstil.
Was motiviert mehr?
- Das war ja wohl nix, ich würde vorschlagen mal etwas mehr Gas zu geben!
- Wir wollen in 3 Monaten dahin, einen guten Schritt haben wir schon gemacht. Was können wir als nächstes erreichen?
Ich denke die Aussagen sprechen für sich und jeder fühlt sich vom 2. viel mehr angesprochen. Der Vergleich des Output von motivierten und „geprügelten“ Mitarbeitern sind nicht wenige Prozent Unterschied, sondern Faktor 2 oder 3.
Agile Führung beinhaltet motivierendes Anleiten und ersetzt das Führen mit Druck und Schelte.
Mitarbeiter Empowerment
Empowerment ist ein großes Wort. „Power“ also Kraft übertragen bedeutet in diesem Kontext die Entscheidungs-„gewalt“ bzw. -freiheit in die Teams zu übergeben.
Um aber Mitarbeiter in die Lage zu versetzen Entscheidungen zu fällen, setzt allem voran erstmal der Auftrag bzw. die Erlaubnis dies zu tun voraus. Die Teams, die Mitarbeiter müssen es wissen. Das kann bereits in Schulungen oder Trainings passieren, wenn eine Firma sich entschieden hat agil zu arbeiten.
Für Führungskräfte ist es nicht immer ganz einfach die Entscheidungen des Mitarbeiters / Teams zu akzeptieren. Aber auch das ist ein Teil des Change Prozesses, Übungsaufgabe.
Der zweite Teil vom Empowerment ist eventuelle Wissens- und Könnenslücken zu schließen. Hier ist die Führungskraft gefragt durch Schulungen, Trainings oder direktes Coaching der Mitarbeiter Abhilfe zu schaffen. Die direkte Begleitung hat den Vorteil, dass man gegenseitig gleich mitbekommt, wie der andere tickt und der Veränderungsweg als gemeinsame Erfahrung gemacht wird.
Sind diese beiden Blöcke (wissen & dürfen sowie können) als Aufgabe der Führungskraft erfüllt (und gelebt), dann ist es an den Mitarbeitern dieses aus zu wollen. Das kann manchmal eine Hürde sein, nicht jeder Mensch freut sich über Entscheidungsgewalt und Verantwortung. Hier bietet sich an zu unterstreichen, dass diese beiden Bereiche für das Team gelten, der Einzelne ist hier nicht alleine gelassen.
Die agile Führungskraft überträgt Entscheidungsgewalt in die Teams und ersetzt damit langsamere und fachlich weniger fundierte Entscheidungsprozesse.
Team vs. Individuum
Der Bezug von Team und Individuum im Team ist kein „Führungsprizip“, sondern eher ein Resultat der agilen Organisation. Das Team fällt die Entscheidungen, wie umgesetzt wird: fachlich, organisatorisch – also alle Team Belange. Das macht das Team enorm stark, der Einzelne hat Mitspracherecht, ist am Ende aber dem Team untergeordnet. Das gibt auf der einen Seite Sicherheit. Gleichzeitig geht damit auch ein gehöriger Bedarf an Abgleich in der Gruppe einher.
Bezogen auf die Führung wandern damit auch viele Feedback-Schleifen in das Team – zu den Menschen, die jeden einzelnen täglich erleben. Die Führungskraft spricht mit dem Team. Keiner Führungskraft wird es in der agilen Welt vorenthalten mit den Leuten 1:1 zu sprechen. Die Arbeitsergebnisse lassen sich für die Führungskraft nicht auf den einzelnen herunter brechen.
Viele operative Führungsaufgaben wandern in das Team, so wie Feedback-Schleifen. Die 1:1 Führung des Managers nimmt ab.
Bottom up vs. Top Down
Entscheidungen werden da getroffen, wo das fachliche Know-How ist. Als Führungskraft kann/darf/soll man in der agilen Welt vertrauen. Falls die Führungskraft entscheiden will, es gehört dazu selbst in die Thematik einzusteigen, um zu verstehen. Damit erreicht auch die Führungskraft ein „Bottom up“ Niveau = ist tief im Thema. Gelebte Transparenz und Vertrauen wird dazu führen, dass es eine Einladung des Teams gibt dies auch gerne zu tun. Die Augenhöhe mit den Mitarbeitern wird einen Diskurs ermöglichen. Die Entscheidung kann dann auf Basis von Erkenntnissen gemeinsam gefällt werden, nicht weil die Führungskraft glaubt es besser zu wissen. Entscheidungen werden „verhandelt“. Die Führungskraft hat Aufgaben und Fähigkeiten, die von dem Team abweichen. Beide Rollen sind gleich viel wert.
Für Entscheidungen bringen Führungskraft und Team die jeweiligen Kompetenzen zusammen. Es gibt kein „über“ oder „unter“ mehr.
Fehlerkultur und testen
Wir wollen weg von Entscheidungen nach Bauchgefühl. Hin zu validen und geprüften Entscheidungen. Nun wissen wir nicht immer vorher, was das Bessere ist. Das bedeutet wir müssen testen, ausprobieren. Natürlich haben wir Wissen über unsere Kunden, unseren Markt, unser Produkt. Das bedeutet wir starten mit einer Hypothese: „Mit xy machen wir einen Fortschritt.“ Wir wissen es aber nicht, also wird ausprobiert. Nicht wissen und ausprobieren beinhaltet ja bereits, dass es häufig zu Fehlversuchen kommen wird. Diese sind in der agilen Welt explizit erwarteter Teil. Damit ist klar, dass Fehler erwartet und gewünscht sind. Denn jeder Fehlversuch lehrt uns etwas über die Hypothese. Der Geschäftswert ist die gesteigerte Kenntnis, was funktioniert und was nicht.
Dies ist ein wesentlicher Grundpfeiler vieler agiler Methoden: wir wollen mit möglichst wenig Budget eine Hypothese validieren. Verschwendung vermeiden, wie im Lean Management hat sich in agile Produktentwicklungsmethoden wie Design Thinking oder MVP fortgepflanzt. Alle vereint der Wunsch das maximale mit den Ressourcen zu erreichen.
Fehler werden in der agilen Welt erwartet und begrüßt das ersetzt das Sanktionieren von Fehlern.
Feedback-Schlaufen
Feedback ist eines der wichtigsten Elemente in der agilen Welt. Wir wollen von Kunden erfahren, was gewünscht ist. Wir wollen von Team-Mitgliedern erfahren, wie wir besser werden können. Und wir wollen zwischen Team und Führungskraft lernen, wie wir erfolgreicher werden. Das ist in der agilen Welt keine Einbahnstraße, sondern auf Augenhöhe eine Gegenseitigkeit. Dazu ist ein weit verbreitetes Instrument die Retrospektive in regelmäßigen Abständen.
Konstruktives Feedback auf Augenhöhe ersetzt das jährliche Mitarbeitergespräch, was ja oft einem Urteil gleicht.
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