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Das Team ist die zentrale Stelle für die Umsetzung in der agilen Welt. Da wird wirklich produziert, alles andere ist Drum-Herum (auch wichtig, aber ohne gute Teams geht nichts). Nun ist das Wichtigste in unseren Methoden schnell Ergebnisse zu erzeugen, um Feedback zu bekommen und in den nächsten Zyklus einzutauchen. Das hat einen entscheidenden Einfluss auf die Struktur, Zusammensetzung und Kultur in agilen Teams.
Die Geschichte vom Floss-Bau: Stell Dir vor, Du musst innerhalb von 24 h ein Floss bauen, um einen reißenden Fluss zu überqueren. Variante 1: du hast verschiedene Fachteams– Holzfällerteam, Schreinerteam, Ruderer, Kapitän. Der Auftrag wandert von Team zu Team. Variante 2: du hast ein Team von motivierten und geschickten Menschen, die miteinander versuchen das Ziel zu erreichen.
Wie glaubst Du bist du erfolgreicher?
Vermutlich in Variante 2. Viele Menschen sagen sogar, dass es persönlich attraktiver wirkt (genau genommen passiert genau das in vielen Team Building Maßnahmen).
Was kennzeichnet die Variante 2:
- Das Team kann selbst alles entscheiden (autonom)
- Es ist nicht geprägt von Spezialistentum (interdisziplinär)
Agile Teams: Interdisziplinär und autonom
Es gibt also zwei wesentliche Aspekte, die hilfreich sind, um diese schnellen Produktionszyklen zu verwirklichen:
Agile Teams sind autonom, um die Kopplung und damit die Komplexität zu reduzieren. Autonom bedeutet im Kontext agiler Teams, dass die als unabhängige Einheit alles zum Produkt entscheiden können. Es braucht keine anderen Teams, es braucht kein Management, es braucht keinen Team-Leiter für Entscheidungen.
Agile Teams sind interdisziplinär zusammengesetzt. Das ist eine sinnvolle Folge, um Autonomie leben zu können. Es werden alle notwendigen Kompetenzen im Team abgedeckt, um Entscheidungen zu fällen und optimal zu produzieren. Das macht schnell und erzeugt in kurzen Zyklen am Markt / am Kunden meßbare Ergebnisse.
Ein Team ist eine Gruppe von Menschen, die ein gemeinsames Ziel anstrebt. Zusammenarbeit und füreinander Dasein sind Kernelemente, die ein Team von einer Sammlung unabhängiger Spezialisten unterscheidet.
Agile Teams sind darauf ausgerichtet in kurzen Zyklen (z.B. 2 Wochen) meßbare Ergebnisse zu erzeugen. Um dies zu erreichen müssen sie interdisziplinär zusammengesetzt und autonom handeln dürfen. Nur so sind tagesaktuelle Entscheidungen möglich und das Team kann die kurzfristigen Ziele erreichen.
Mein Buch Tipp, wenn auch nicht nur auf agile Teams zugeschnitten
- Interdisziplinäre Teams (wir haben alle Kompetenzen am Tisch, um ein fertiges Produkt zu erzeugen). Das bedeutet klassische Team-Strukturen werden aufgelöst. Es werden ziel- /produktionsorientierte Teams gebildet, die alle Fachkräfte beinhalten, um ein fertiges Ergebnis zu erzeugen. Sinn dabei ist im Team schnell zu sein, ohne eine lang geplante Interaktion mit anderen Teams. Wir wollen keine Zeit verlieren, wollen innerhalb von 1, 2 oder 3 Wochen liefern.
- Das Mandat Entscheidungen im Rahmen der Produktion zu fällen, ohne Rücksprache außerhalb des Teams. Entscheidungen zu fällen, auf Tagesbasis, macht Teams schnell. Da das Management eh oft weiter weg vom Produkt ist, als das Team, werden ansonsten Produktentscheidungen von dem „inkompetentesten“ Entscheider gefällt: dem Management. Die schnellsten und besten Entscheidungen erfolgen beim Tun, am Kunden, in der Iteration. Und da wollen wir hin.
Achtung: großes Umdenken in der Führung.
Beide Faktoren zusammen erzeugen ein hohes Maß an Autonomie, das Team kann schnell agieren und entscheiden. Langwierige Entscheidungswege entfallen, Abhängigkeiten zu anderen Teams sind aufgelöst, Integration in Terminkalender anderer Teams braucht es nicht. Kurze Zyklen werden möglich.
Vergleich zur klassischen Welt
Bei einem Vergleich des Projektablaufes in der klassischen Welt und der agilen Welt wird das deutlich. In der linken Grafik sehen wir die Schritte, die in einem klassischen Projekt Fachteam für Fachteam zeitlich nacheinander durchlaufen werden. Erst das Konzept, dann Umsetzungsteam 1, 2 …. , Qualitätssicherung, Marketing etc. Eine Scheibe nach der anderen und das jeweils vollständig.
Auf der rechten Seite – in interdisziplinären Teams (Farben der Fachkompetenzen sind gleich), ist eine zeitliche Scheibe eine Produktiteration. „Alle“ nötigen Kompetenzen sind involviert und können dazu beitragen ein fertiges Produktfragment zu liefern. Angefangen bei der Idee bis hin zum Marktfeedback.
Es wird also deutlich, dass die Organisation „gedreht“ wird. Die Zeitachse beschreibt nicht mehr in welchem Team sich das Projekt gerade befindet, sondern in welcher Produktiteration wir gerade sind. Die Denkweise eines Projektablaufes verändert sich.
Agile Teams: Grösse
Agile Teams interagieren täglich und wissen ohne umfangreiche Diskussion immer woran die anderen arbeiten. Gleichzeitig entwickelt sich eine enge Teamkultur. „Wir wollen etwas produzieren.“ Daraus ergibt sich eine bestimmte Anforderung an eine Teamgrösse:
- Nicht zu klein, wir müssen auch Urlaub und Krankheit abfangen können
- Alle Kompetenzen, die wir brauchen müssen rein
- Nicht zu groß sonst klappt es mit der Kultur schwerer
Aus diesen Parametern und Erfahrungen in der Praxis hat sich eine Teamgrösse von 6 +/-3 herauskristallisiert. Wenn der Bereich dann weiter wächst, würde beim Eintreffen des 10. Kollegen das Team in 2 x 5 Personen geteilt. Das hat den Vorteil, dass Arbeitsweisen und Kultur vererbt werden und weitergelebt. Weiteres Wachstum ist nun möglich. Neue Kollegen werden sich der Kultur leichter annehmen, als wenn man ein Team nur aus Neuen zusammenstellt.
Spezialisten versus Generalisten
Es gibt in der agilen Literatur oft den Mythos „in agilen Teams muss jeder alles können“. Das wäre natürlich schön, dann wären wir maximal flexibel, ist aber unrealistisch. Ein Profi mit 10 Jahren Erfahrung in seiner Domäne, wird lange nicht von einem Rookie eingeholt. Vielmehr passt das Bild, dass der Profi sich von dem Rookie unterstützen lassen kann, wenn es Engpässe gibt. Der Rookie – vielleicht Profi in einem anderen Bereich – wächst ein wenig in einen neuen Bereich hinein. So wird in einem agilen Team jeder Profi über die Monate auch ein wenig Generalist. Und das Team wird flexibler Flaschenhälse zu vermeiden. Das ist auch im Eigeninteresse, denn das Team möchte ja als „Wir“ liefern.
Sind Spezialisten in agilen Teams unnötig?
Nein. Spezialisten sind Gold wert, sie bringen Know-how ins Team und ohne geht es nicht. Es braucht Menschen, die teamfähig sind und damit auch anderen „mitreißen“ können, anderen auch klug machen. Stimmt die Persönlichkeit nicht, ist unpassend zu agiler Arbeit im Team, dann ist das Spezialwissen allerdings nachrangig, es kann nicht ins Team verteilt werden.
Nicht jede Tätigkeit bedeutet immer, dass man absoluter Profi sein muss. Es könnte bei unserem Floss Bau sei, dass der Holzfäller einfach auch mal das Ruder in die Hand nimmt.
Kultur in Agilen Teams
Die Umstellung auf agile Teams und die kontinuierliche Verbesserung, das Hinterfragen der aktuellen Vorgehensweise, muss nicht in einem großen Schritt erfolgen. Das kann und sollte in agiler Weise in kleinen Schritten passieren. Es wird Teilnehmer und Momente geben, wo die Komfortzone verlassen wird. Und um in diesen Momenten lernen zu können und sich weiterzuentwickeln, braucht es eine Kultur im Team, die von Vertrauen geprägt ist. Alleine die Transparenz, was jeder geschafft hat – oder eben auch nicht – braucht Vertrauen. Es sollte sich keiner „darstellen“ oder „produzieren“. Es geht darum, wer kann etwas beitragen. Und vor allem, wo stößt jemand an seine Grenzen und braucht Hilfe. In einer von Egos und Konkurrenz geprägten Kultur geht das nicht.
Interdisziplinäre und autonome Teams sind ein Muss für das agile Arbeiten. Sonst klappt das nicht.
An dieser Stelle möchte ich auf den vertiefenden Artikel zur Werteermittlung im Team verweisen. Ein der wesentlichen Grundlagen für eine gute Teamkultur ist die Kenntnis gemeinsamer und unterschiedlicher Werte.
Individuum im agilen Team
Das Team ist autonom, darf Entscheidungen fällen über die Umsetzung, wie es arbeitet. Im Rahmen der Leitplanken des Unternehmens ist es völlig frei. Gleichzeitig wird im Team entschieden. Umsetzung, Organisation, Investments. Das reduziert die Freiheit des Einzelnen. Natürlich versuchen gut funktionierende Teams sich gegenseitig Vieles möglich zu machen. Für Alleingänger ist in agilen Teams kein Raum. Es gibt Persönlichkeiten, die für die Arbeit in agilen Teams nicht gemacht sind. Gleichzeitig gibt es viele Menschen, die erstmal Befindlichkeiten haben, nach den ersten Monaten Praxis aber nie mehr weg von agilen Teams wollen.
Es gilt auch hier: in die Erfahrung kommen, Methodik anpassen und urteilen.
Agile Teams: „Wollen“
Viel von dem Vierklang: Können, Sollen, Dürfen, Wollen kann das Unternehmen oder das Team möglich machen.
Können: es können Schulung gestaltet werden
Sollen & Dürfen: das Management kann und muss den Rahmen schaffen und halten
Beim Wollen ist es etwas anders. Das bringt der Einzelne mit – oder auch nicht. Nicht jeder muss gleich lichterloh brennen bei der Idee im agilen Team zu arbeiten. Eine Offenheit es zu probieren und zu lernen ist notwendig. Wenn es eine totale Blockade = nicht wollen gibt, dann ist die Frage, ob es für denjenigen klappt.
Weiterführende Artikel